Band 1 - Erwachen

kognitive Dissonanz

Manchmal haben die Menschen einen sehr starken Glaubenskern. Wenn sie mit einer Offensichtlichkeit konfrontiert werden, die der Überzeugung entgegenwirkt, kann die neue Offensichtlichkeit nicht akzeptiert werden, weil sie ein Gefühl erzeugt, das äußerst unangenehm ist.

Weil es wichtig ist, die Kernüberzeugung zu schützen, werden sie alles rationalisieren, ignorieren und leugnen, was nicht zu dieser Kernüberzeugung passt. Deshalb regen sich die Menschen auf, wenn ihre stark vertretenen Überzeugungen in Frage gestellt werden.

Autor unbekannt

Der erste Band von 17 heißt Erwachen, und es gibt einige mögliche Deutungen dieses Titels. Im Buch findet sich immer wieder das Ablehnen von Tatsachen wieder. Im Kleinen findet sich dies, als Peters Mutter ihm nicht glaubt. Im großen Rahmen ist es das Vertrauen Peters an eine heile Welt, wodurch er letztendlich in eine Falle tappt, welche so unglaublich ist, dass ihm im Nachhinein wahrscheinlich wieder nicht geglaubt werden wird. Dies ist sein Erwachen – das Platzen seiner Seifenblase. Und dies ist auch die schwierigste Lehre, welche aus 17 gezogen werden kann: sich selbst, seine Erfahrungen und die Welt um einen herum immer wieder neu zu hinterfragen.

Die Theorie der kognitiven Dissonanz ist ein bekanntes Konstrukt der Sozialpsychologie. Leon Festinger definierte diese 1957 als „discomfort produced by inconsistent cognitions“ (Unwohlsein durch sich widersprechende Kognitionen). Im Alltag erleben wir dieses Phänomen ständig und unbemerkt. Wir alle wissen beispielsweise, dass Sport und Bewegung gesund sind (Kognition 1). Nun tauchen in uns aber gerade vor der geplanten Joggingrunde Kognitionen auf wie „Ich sollte meinen Haushalt erledigen. Es regnet gleich. Ich habe keine Lust“ (Kognition 2). Diese beiden Gedanken widersprechen sich, sagt doch der eine, ich sollte joggen gehen, der andere impliziert, dass ich zuhause bleibe. Was tun Menschen in diesen Momenten? Da dieser Zustand Unwohlsein mit sich bringt, sind Menschen bestrebt, dieses Unwohlsein aufzulösen. Wie kann das gehen? Man könnte eine der beiden ursprünglichen Kognitionen verändern oder ablegen. So könnten wir unsere Meinung ändern, damit sie konsistent zu unserem Verhalten ist (im Beispiel wären das dann die Menschen, die „Sport ist Mord“ zur neuen Kognition 1 machen). Dies ist umso wahrscheinlicher, je weniger konsistente Gründe es für das Verhalten (nicht joggen gehen) gibt (Festinger & Carlsmith, 1959). Oder aber wir finden Kognitionen und Einstellungen, die den Widerspruch auflösen (Kognition 3: „Ich gehe morgen joggen“).

Dazu muss in Betracht gezogen werden, dass wir einige Kognitionen, Einstellungen oder Meinungen besonders ungern ändern. Dies betrifft vor allem Einstellungen uns selbst gegenüber. Um diesen Prozess zu verstehen, sehen wir uns noch eine zweite Theorie an, die Konsistenztheorie von Klaus Grawe. Diese besagt, dass wir nach Vereinbarkeit aller unserer psychischen Prozesse streben, was die Annahme der Theorie der kogitiven Dissonanz einschließt und erweitert. Dazu werden vier menschliche Grundbedürfnisse angenommen: Orientierung & Kontrolle, Lustgewinn & Unlustvermeidung, Bindung, Selbstwerterhöhung & Selbstwertschutz. Unser Denken, Fühlen und Handeln ist also daran ausgerichtet, mit sich selbst und mit unseren Grundbedürfnissen im Einklang zu sein.

Können wir uns auf dieser Basis erklären, warum die Menschen um Peter herum seine Realität und all die Geschehnisse nicht zu sehen scheinen? Zunächst einmal stehen all diese Dinge im krassen Gegensatz zu den Meinungen und Grundeinstellungen der meisten betreffenden Menschen. Peters Mutter ist Ärztin und wird wohl tief in sich verankert haben, dass man Menschen helfen sollte, keinem schaden und dass Gewalt nicht gut ist. Was sie nun erfahren könnte, steht im direkten Gegensatz dazu und erzeugt Dissonanz. Diese kann dadurch aufgelöst werden, indem die neuen Informationen komplett ausgeblendet oder aber zu etwas anderem erklärt werden (neue Kognition). Zudem laufen die Dinge, die es zu sehen und wahrzunehmen gilt, einigen menschlichen Grundbedürfnissen massiv entgegen. Sollten die Menschen um Peter herum dem Glauben schenken – die Welt wäre eine völlig andere und somit geht die Orientierung in der Welt völlig verloren. Die Erlebnisse und Gefühle von Peter würden wohl sehr intensive unangenehme Gefühle auslösen. Und was macht es mit einem Selbstwert, zu erkennen, in welche Fallen man getappt ist und welche Spiele mit einem selbst gespielt wurden?

Wie wir sehen haben Menschen wie Peters Mutter viele innere Gründe, die Geschehnisse nicht sehen oder wahrnehmen zu wollen. Sie widersprechen extrem den inneren Grundbedürfnissen und sind doch so leicht beiseite zu wischen.

Strategien gegen die Selbstlüge auf lernen.net:

https://www.lernen.net/artikel/kognitive-dissonanz-8998/


Vielen Dank an meine Lektoren, für diese psychologischen Erklärungen: vt-chemnitz.de